Freitag, 1. Februar 2013

San Luis Obispo Tigers

Ich bin ja offziell als Journalist und Mitarbeiter des Sportmedienverlags hier in den USA. Meine MIssion ist es, Kontakte zur NFL, MLB und NBA aufzubauen. Für das letzte Heft vom "Kick Off Magazin" dem größten Football Magazin Europas, darf ich allerdings einen Bericht über Highschool Football schreiben. Ein Blick auf die Art und Weise, wie hie in den USA schon in der Schule an Sport herangegangen wird, ist sicher interessant. Ich kontaktiere den Direktor der San Luis Obispo Highschool Leslie O'Connor (ein waschechter Ire, eh klar), der mich sofort mit Jeff Brandow, Chef des Schulsports, verlinkt. Dieser wiederum bringt mich zu Headcoach David Kelley. Ich werde überall sehr herzlich empfangen - ich bin ja nur ein kleiner Ösi, der von Football keine Ahnung hat.

Der folgende Bericht ist aus meinen Tagen in der Highschool entstanden. Eine verkürzte Version davon wurde im "Kick Off Magazin" Ausgabe 8/12 auf den Seiten 16 und 17 veröffentlicht. Hier kann man den sogar online lesen. Allerdings kann man das "Kick Off Magazin" sowie auch alle anderen Magazine des Sportmedienverlags gratis abonnieren. Mittlerweile sind das spezielle Magazine zu den Sportarten Baseball, Lacrosse, Ice Hockey, Hockey, Basketball, Leichtathletik und natürlich Football. All das gibt es natürlich auch auf Facebook.

      ....................................................Hier der Artikel in voller Länge..............................................
Zwischen den USA und Europa im Allgemeinen und Österreich im Speziellen gibt es einen großen Unterschied im Zugang zu Sport. In den USA ist Sport sehr stark an die Schule gebunden – viele Sportarten werden direkt durch die Schule getrieben. Dies beginnt schon in der Middle School (dem Pedant zur Unterstufe in Österreich) – in der Highschool wird es an die Spitze getrieben.
Als Beispiel gilt hier die San Luis Obispo Highschool in Kalifornien – Home of the Tigers!!!

An der SLO High werden 12 Sportarten angeboten, sieben davon für Mädchen und Buben. Für jede Gruppe gibt es einen eigenen Headcoach Die Schule leistet sich 17 Headcoaches, die sich nur um Ihre Sportart kümmern. Manche haben sehr wohl ein anderes Fach im richtigen Unterricht, aber der Fokus liegt beim Sport.
American Football nimmt an praktisch allen Schulen eine Sonderstellung ein, da hier USA-weit eine große eigene Wirtschaftssparte etabliert ist.
Auf meine Anfrage, einen Bericht über das das Footballteam der San Luis Obispo Highschool zu schreiben, nimmt mich Headcoach David Kelley herzlich auf und freut sich, mir die „Tigers“ mit allen Drum-Herum vorstellen zu dürfen. Ich werde eingeladen, das Team eine Woche lang zu begleiten. Es geht um die Vorbereitung auf ein sehr wichtiges Spiel. Am Wochenende steigt das letzte Spiel der Saison, es ist „Senior Night“ – das Spiel bei dem die Schüler, die heuer die Schule abschließen, das letzte Mal in der Liga spielen. Noch dazu wird gegen den Führenden der Liga und gleichzeitig Lokalrivalen die „Arroyo Grande Eagels“ gespielt. Wenn die Tigers gewinnen sind sie punktegleich Tabellenführer. Spannung und Dramatik sind somit gegeben.
Das Training beginnt mit einer Besprechung der Defense im Büro von Coach Kelley. Anfang der Woche haben die Coaches einen Scout Report erstellt. Neun Seiten einer Analyse des Gegners, seinen bevorzugten Spielzügen und den verwendeten Calls. Zu diesem Scout Report gibt es nun fünf Fragen, für deren Beantwortung die Spieler nur wenige Minuten Zeit haben. Wer die geforderte Punkteanzahl nicht schafft, wird zum „Lame Dog“ und muss somit beim Training zusätzliche Übungen machen.
Danach werden mit Hilfe einer Analysesoftware Spielzüge der Gegner auf Video betrachtet. Die Spieler werden aktiv miteinbezogen und müssen ihre Reaktion auf diese Angriffe im Spiel beschreiben. Das Ganze dauert ca. 15 Minuten, dann geht es ab zum Training.
Während sich die Kids umziehen, beantwortet mir Coach Kelley ein paar Fragen. Mit Staunen stelle ich fest, dass für nahezu alle Spieler das Football-Leben nach der Highschool zu Ende ist. Aus dem aktuellen Team hat lediglich ein Spieler, Jack Ferguson, einen Platz in einer College Mannschaft. Alle anderen beenden bereits jetzt im Alter von 18 ihren Lieblingssport, da es in den USA keine Möglichkeit gibt, Football als Amateur zu spielen. Flag-Football gilt, zumindest hier vor Ort als hochgradig unattraktiv.  Coach Kelley erzählt mir auch von seiner Organisation. In seinen Verantwortungsbereich fallen alle drei Mannschaften der Schule – das Freshman Team, der jüngste Jahrgang der Schule – das Sophomore Team, Schüler aus dem zweiten Jahrgang – und das Varsity Team, die Königsklasse, hier spielen die besten und ältesten Spieler der Schule. Für die Betreuung der Teams sind insgesamt 17 Trainer an der Schule tätig. Für deren Bezahlung stehen allerdings nur 9 volle Gehälter zur Verfügung. Coach Kelley hat natürlich volles Gehalt, weitere 4 Trainer ebenfalls. Die restlichen Trainer teilen sich die verbleibenden Gehaltsschecks. Trainiert wird jeden Tag außer Sonntag, wobei die Kids in der letzten Schulstunde, ab 14:00 sowieso Sportunterricht, also Football, haben. Das Training dauert dann aber meist noch bis ca. 17:30 Uhr. Oft gibt es auch schon in der Früh um 7 eine Einheit in der Kraftkammer. Die Spieler haben somit neben dem Sport kaum Freizeit. Die schulischen Leistungen sind trotzdem wichtig, die Kids müssen einen bestimmten Notendurchschnitt bringen, um im Team verbleiben zu können.
Das Training beginnt und Coach Kelley setzt sein Team ordentlich unter Feuer. Sie hätten in letzter Zeit zu wenig Einsatz gezeigt meint er. Eins fällt sofort auf – ein großer Teil der Spieler hat offensichtlich schon Verletzungen hinter sich. Drei Burschen trainieren mit Schienen (Orthesen) am Knie, etliche andere humpeln. Während des Trainings verletzt sich ein Defense Spieler an der Schulter, ein anderer Spieler wird am Knie verletzt und wird weinend davon getragen. Wenn man bedenkt, dass die Kids zwischen 15 und 17 Jahre alt sind, ist das harter Tobak. Ich verlasse um ca. 16 Uhr den Platz – hier sind die ersten Spieler bereits deutlich an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Im Gespräch mit den Kids erfahre ich, dass es fast bei jedem Training vorkommt, dass ein Spieler vor Erschöpfung erbricht.


 Tags darauf darf ich beim Freshman Spiel an der Sideline stehen. Das Spiel ist eher schlecht besucht, aber es sind immerhin an die 100 Zuschauer da. Vom Sportdirektor erfahre ich, dass sich dieses Team im Aufbau befindet. Er hofft, dass die Niederlage nicht allzu hoch ausfallen wird. Tatsächliche schlagen sich die Tigers nicht so schlecht und verlieren letztendlich nur 28:6. Dennoch erkennt man auch hier schon den Enthusiasmus. Headcoach des Teams ist Gary „Crazy Gary“ Hitchcock. Schon nach wenigen Minuten scheint es, dass er sich die Seele aus dem Leib geschrien hat. Das Spiel plätschert vor sich hin, die Spieler sind teilweise noch kleiner, werfen sich aber mit vollem Einsatz ins Geschehen. Man merkt aber, dass auch noch recht viel Angst im Spiel ist.
 


Am Freitag ist es dann soweit – Game Day. Alles beginnt um 16 Uhr mit dem Spiel der Sophomores. Die Zuschauertribüne ist deutlich besser besetzt alles tags zuvor. Während die Tigers – Sophomores einem sicheren Siegentgegenlaufen, sie gewinnen 34:0,  beginnen die Vorbereitungen des Varsity Teams unter der Aufsicht von Coach Kelley. Nachdem die Spieler zusätzliche Tribünenteile an den Spielfeldrand stellen, eine Art erstes Aufwärmen, wird gemeinsam ein von Eltern zubereitetes Essen verspeist. Spaghetti mit Fleischsauce – pure Energie. Ich nutze die Gelegenheit und spreche mit Jack Ferguson. Jack ist 17 Jahre alt, 189cm groß und 104kg schwer, ein ordentlicher Brocken für sein Alter. Er ist der erfolgreichste Linebacker der Tigers und hat als einziger Spieler des Teams Anfragen von College-Teams. In den Zeitungen wird er als der beste Linebacker der Central Coast gehandelt, groß, stark und trotzdem schnell. Jack ist aber trotzdem ein 17jähriger junger Mann, etwas schüchtern, aber sehr sympathisch. Er ist sich seiner Verantwortung als Leistungsträger bewusst, scheint sich aber keine großen Sorgen zu machen. 

Nach dem gemeinsamen Essen, eine Art Ritual, beginnt das Aufwärmen. Dazu wird extra eine professionelle Fitnesstrainerin engagiert, die mit der Mannschaft Dehnungsübungen macht. Nach den weiteren Übungen geht es dann in Zweierreihe hinunter aus Feld. Dort ist mittlerweile ziemlich viel los. Die Blaskapellen beider Schulen haben Aufstellung genommen, die Cheerleader haben sich schon aufgewärmt und am Zaun stehen die Eltern der Seniorspieler – diese werden ja heute verabschiedet, das gibt es noch von jedem Spieler ein Foto mit seinen Angehörigen. Während die Mannschaft auf dem Feld die letzten Aufwärmübungen macht, mische ich mich unters die Zuschauer. Die Tribüne ist gerammelt voll, es gibt Stände mit Essen und Merchandising sowie eine Verlosung mit Hilfe der Eintrittskartennummern. Ich spreche mit einer der vermeintlich freiwilligen Helferinnen über ihre Motivation und erfahre mit Staunen, dass ich mit einer Lehrerin der Schule spreche. Sie arbeitet im Rahmen ihrer verpflichtenden Allgemein-Hilfe-Stunden eben zur Unterstützung der Football Teams. 


 Die Zeremonie zieht sich etwas in die Länge und so geht es dann im Laufschritt wieder zurück in die Kabine zur letzten Ansprache. Kurz davor versammelt sich das Trainerteam zum gemeinsam Gebet. Die Stimmung ist greifbar, die Spieler blicken konzentriert und begeistert auf ihren Coach, der sie mit großen Worten auf das Spiel einstimmt. Auch hier wird zum Abschluss noch ein Gebet gesprochen. Dann geht es los. Auf dem Feld werden die Spieler, die aus einem überdimensionalem aufgeblasenen Tigerkopf rennen, frenetisch empfangen und gemeinsam singt man die Nationalhymne.


 Das Spiel beginnt mit einem Paukenschlag, Garret „Gio“ Giovanelli, Quarterback, Buntreceiver und Defenseback, fängt den Kickoff und läuft bis in die Endzone – Touchdown Tigers. Die Stimmung ist am überkochen. „Gio“ ist laut Coach Kelley der beste Spieler des Teams. Er ist auf vielen Positionen der beste, spielt den Quarterback und macht auch sehr viele Runs selber. Er hätte das Zeug zum College Football wird aber seine sportliche Zukunft im College Baseball machen. Dort ist er angeblich noch besser. Er bringt die Tigers am Anfang des Spiels in eine 14:0 Führung und ist in dieser Zeit die tragende Figur am Spielfeld. Anfang des zweiten Viertels bleibt es allerdings verletzt liegen und scheidet letztendlich mit einer Seitenbandverletzung für den Rest der Saison und damit auch den Playoffs aus. Geschockt und geschwächt durch den Ausfall ihres Quarterbacks fallen die Tigers zurück und sind zur Pause 14:21 im Rückstand. 



Anfangs der Pause versammelt sich das Trainerteam und hält Rücksprache. Offense und Defense geben ihre Sicht des Spiels bekannt und man einigt sich auf die weitere Taktik. Währenddessen holt die Mannschaft im alten Turnsaal der Schule Luft. Giovanelli wird mit dem Elektrocart herngekarrt, um an der Besprechung teilzunehmen. Im Saal ist die Luft dick und Stimmung getrübt. Nacheinander geben die Trainer der Offense und Defense ihre Eindrücke und Pläne an die Mannschaft weiter. Alle sind sehr angespannt. Dann tritt Coach Kelley auf die Bühne. Er redet den Spielern ins Gewissen, spricht von den wichtigsten 60 Minuten ihres Lebens und erzählt von Menschen, die mit Kummer und Bedauern durchs Leben gehen. Er fordert die Spieler auf, nicht zu solchen Menschen zu werden sondern in 60 Minuten erhobenen Hauptes vom Spielfeld gehen zu können. Die Kids hängen an seinen Lippen und schließen zum Abschluss nach Aufforderung des Coaches die Augen. In einem letzten Appell muntert Coach Kelley die Kids damit auf, sich den Sieg vorzustellen und die Freude danach. Als er endet explodiert die Atmosphäre, alle Anwesenden applaudieren heftig und die Spieler halten ihre Helme zusammen schreiend in die Höhe. Coach Kelley ist emotional so geladen, dass er einige Liegestütze zum Abkühlen machen muß.



Der Rest ist schnell erzählt. Die Tigers kommen noch knapp an die Eagles heran. Anfang des letzen Viertels gelingt Ihnen ein Fieldgoal, wenn sie jetzt noch einen Touchdown schaffen, haben sie gewonnen. Das Spiel gleicht einer Schlacht, fair aber mit allen Mitteln bekämpfen sich beide Mannschaften. Die Tigers beißen und rennen angeführt vom zweiten Quarterback Thomas Orradre und Center Jack Milstead , doch letztendlich scheitern sie an zu vielen kleinen Fehlern und verlieren ein spannendes Spiel knapp mit 24:28. 


Am Boden zerstört versammeln sich die Kids nach dem Spiel kniend um Coach Kelley. Er versucht sie aus dem Loch zu holen und verweist auf die Playoffs. Hier haben sie noch einmal die Chance, gegen den Lokalrivalen zu spielen und zu gewinnen – und wer weiß, vielleicht gewinnen sie die Playoffs und fahren somit einen noch größeren Erfolg ein. Jack Milstead, Center des Teams und laut Coach Kelley der Spieler mit dem größten Herz und Einsatz läßt sich nur schwer von den Worten trösten und bricht nach der Ansprache in den Armen des Coachs in Tränen aus. 





Alles in Allem eine sehr intensive und spannende Erfahrung. Wenn an den Schulen der USA in allen Sportarten ein ähnlicher Einsatz gezeigt und Aufwand betrieben wird, wundert es nicht, dass die USA weltweit in vielen Sportarten führend ist.

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