Braumeister für einen Tag |
Noch einmal zur Erinnerung. Als wir uns für San Luis Obispo entscheiden hat Margueritha gleich die Idee, dass wir uns an die Universität vor Ort wenden, um hier vielleicht ein Visum zu bekommen. In der Vorbereitung auf meinen ersten Versuch, mich an der Uni als Gast-Lektor für das Thema "Technologie der Brauerei" zu bewerben, stoße ich auf die Central Coast Brewing Company. Es ist dies eine kleine Brauerei, die unter anderem anbietet, als Braumeister für einen Tag, selber Bier zu
brauen.
Für meine Idee, im Rahmen einer möglichen Vorlesung mit Studenten Bier zu brauen, ist das super. Ich nehme mit George Peterson, dem Eigentümer, Kontakt auf und er ist nicht abgeneigt.
Richtig interessant wird es dann im November 2011. Bei unserem ersten Besuch in SLO haben wir einen Termin in der Brauerei. George ist uns auf Anhieb sympathisch und er zeigt uns gleich sein kleines Reich.
Wie sich herausstellt hat George eine interessante Geschichte. Tatsächlich ist George der General Sales Manager von Sunset Honda. Die Brauerei ist mehr wie ein Hobby. Sein Liebe zum Bier entdeckt er wie so viele Amerikaner als Student. Er braut dort schon selber Bier. Vor einigen Jahren bekommt George einen Anruf eines befreundeten Anwalts, der eine Brauerei in Nicaragua in einer Konkurs Masse hat. George kauft die Anlagen, läßt sie nach SLO schiffen und ist seitdem Besitzer einer Brauerei.
George ist begeistert von meiner Brau-Geschichte und wir kommen überein, dass wir auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Nun - gleich als wir hierher übersiedeln nehme ich wieder Kontakt auf und wir entwicklen einen Plan. George bittet mich, in der Brauerei ein wenig die Augen offen zu halten und ihm und seinen Mitarbeitern mit Rat zur Seit zu stehen. Er stellt mich seinem Braumeister Aaron vor. Ich vereinbare mit Aaron, dass ich einmal bei einem Sud dabei bin - dann sehen wir weiter.
Wahrzeichen von CCB sind die drei kleine ZKG Tanks, die aber derzeit nicht in Betrieb. Es gibt auch, mitten in der Brauerei, eine Bar. Hier sind laufend 12 verschiedene Biere am Zapfhahn und die Auswahl ändert sich laufend. Alle Biere werden hier vor Ort gebraut. Ein stolze Leistung in Anbetracht der Anlage. Die Biere schmecken durch die Bank recht gut und sind durchaus interessant. Von IPA (sehr bitteres Ale) über Stout, von Rye Beer über Smokey Stout bis hin zum "El Hefe" - eine Weizenbier, gibt es alles, was das obergärige Ale-Hefe verwöhnte amerikanische Brauerherz begehrt.
Das "El Hefe" ist auch gleich mein erster Sud, an dem ich mit dabei bin. Aaron hat das Weizenbier schon einmal gemacht und es ist gut angekommen. Mir fallen gleich ein paar Kleinigkeiten auf und Aaron übernimmt sofort die Ratschläge. Die Produktion ist grundsätzlich in Ordnung, die alten Anlagen sorgen leider für eine geringe Effizienz. Hinzu kommt, dass keiner der Arbeiter (auch George nicht) eine wirkliche Ausbildung im Brauwesen hat - in den USA gibt es das auch nicht oft. Nur wenige Unis bieten da was an und Lehre gibt es natürlich gar nicht. Mein zugegebener Maßen nicht topaktuelles und verstaubtes Brauwissen reicht für die Basis-Themen hier aber vollkommen aus. Mit wenigen Ideen und Handgriffen gelingt es uns die Ausbeute der Brauerei gleich um ein paar Prozentpunkte zu steigern. Auch das "El Hefe" schmeckt laut Aaron mit meiner Idee der Hopfengabe gleich viel besser.
Kurz vor meiner Abreise nach Österreich im Oktober beschließen wir noch ein Experiment. Die CCB braut, wie praktisch alle anderen kleineren Brauereien, ausschließlich mit obergärigen Hefen. Die Anlage wäre mit einer Produktion von Lagerbieren (also untergäriger Hefe) technologisch auch überlastet. Trotzdem schlage ich vor, dass wir versuchen ein Lagerbier zu brauen. Damit würde sich die CCB deutlich vom Mitbewerb abheben. In Österreich organisiere ich mit Hilfe meiner alten Kontakte 9kg Hopfen und schicke diesen kurzer Hand mit der Post in die USA. Der Hopfen kommt auch tatsächlich unversehrt an und George, Aaron und ich beginnen unser Experiment. Im Jänner, wenn die Lufttemperatur niedriger ist wollen wir einen schönen, knackigen und hopfigen Bock brauen.
Und nicht nur das - bei der Planung beschließen wir gleich noch etwas. Nachdem wir genug Hopfen haben, werden wir mit der selben Rezeptur ein identen zweiten Sud brauen, diesen aber mit amerikanischer Ale-Hefe obergärig vergären.
Gesagt getan - Ich mache ein Rezept und lege dabei sehr viel Wert auf die Hopfengabe. Der erste Sud gelingt wunderbar, lediglich bei der Angärung gibt es Probleme. Doch auch die bekommen wir in den Griff. Die Lagerung verläuft problemlos und nach ein paar Wochen laufender Verkostung bin ich mit dem Bock zufrieden. Auch der zweite Sud verläuft problemlos und wir haben somit ein Zwillingspaar gebraut - die "Bock Twins". Wir taufen sie "German Style Bock Twin" (sorry, aber Austrian kennt hier keiner) und "American Style Bock Twin". Gleiche Etikette nur andere Farbe. Beim Fest zum 15jährigen Bestehen der Brauerei werden die Bock-Twins erstmals offiziell ausgeschenkt. Das Fest ist zufällig zu Ostern - ich habe somit einen Osterbock gebraut der immerhin 11 Wochen gelagert war - sehr traditionell. Deswegen komme ich auch in Lederhose und erzähle an diesem Abend ungezählte Male die Geschichte von den beiden Bock-Zwillingen die nach der Geburt getrennt wurden. Der eine wuchs in Deutschland auf, der andere in den USA - deswegen schmecken sie auch unterschiedlich. Die Story und die Biere kommen gut an und wir sind sehr zufrieden.
In den letzten Tagen verbringe ich noch ein wenig Zeit in der Brauerei, um noch ein paar Sachen nieder zu schreiben, die nicht in Vergessenheit geraten sollen. George plant auch schon, nach Österreich zu kommen, da werde ich ihn dann durch alle Brauereien durchschleusen - na servus......